Sonntag, 17. November 2019

Angedacht: recht gläubig

Sprache dient der Verständigung. Sie beruht auf Unterscheidigung (discrimen), dem trennenden und ordnenden Tun (discrimino) des denkenden Subjektes. Wer einmal ein schreiendes Kind vor sich hatte, das sprachlich noch nicht über ein "Dada!" hinauskam und das sich nicht beruhigen ließ, bis es endlich das ersehnte "Hasi" in die Arme schließen konnte, der weiß, wie wohltuend eine deutliche Aussage sein kann.
Diese notwendige Sprachentwicklung geht mit der geistigen Entwicklung des Menschen einher, die irgendwann die Stufe der sog. "Mündigkeit" erreichen sollte. Früher ging man davon aus, daß dieses Stadium um das 21. Lebensjahr erreicht sein müßte und sprach einer Person alle Rechte und Pflichten zu.
Diesen Status kann man aber wieder verlieren. So kann man, wenn die direkte oder weitere Umgebung den Eindruck gewinnt, man sei "Gaga!", entmündigt werden, anders ausgedrückt: ein Anderer spricht dann für mich, weil ich nicht (mehr) weiß, was ich sage. Nicht selten wird dieser Status alten Menschen entzogen.

Auch die jeweilige Landessprache entwickelt sich in Verbindung mit der Geschichte und der Entwicklung des jeweiligen Volkes. Kultur und Sprachkultur sind ineinander verwoben. Manches entsteht, vieles vergeht. Feinheiten, die noch vor wenigen Jahren empfunden und gepflegt wurden, können plötzlich verschwinden. Nuancen, die der Sprache Eleganz und Witz gaben, verschwinden auf einmal wie das "Plätteisen" oder der "Stiefelknecht" aus dem Bewußtsein. Am Umgang mit der Sprache läßt sich nicht nur der geistige Zustand einer Einzelperson ablesen, sondern auch der eines ganzen Volkes. Bedenklich wird der Zustand beispielsweise, wenn eine Behörde sich dazu erdreistet, eine amtliche Rechtschreibung vorzuschreiben. Noch bedenklicher ist es, wenn eine Wörterbuchredaktion, die sich von ihren Ursprüngen her als eine, den üblichen Sprachgebrauch beobachtende und notierende Instanz verstanden hat, meint, sie könne durchgreifen und verordnen. Wer sich erkühnt, den breiten, lebendigen und reißenden Strom der Sprache in ein amtliches Flußbett zu zwingen ...
Es wurde begradigt, so mancher Mäander abgeschnitten. Alles sollte übersichtlicher und einfacher werden und vor "Schiffbruch" bewahren. Doch wie bei allen Flußbegradigungen ist auch hier der Effekt derselbe: Die Fahr geht nur schneller talwärts.

Diese Gedanken kamen mir, als ich (von dem) Brief der 10 Generalvikare aus Deutschland las. Denn das Bild vom Fluß ist nicht nur ein biblisches. Wir sagen z. B. auch ganz allgemein, daß man erkennen kann, aus welchen Quellen sich ein gewisses Denken speist, der Strom der Gedanken mitreißend sei.
Die sprachlichen Quellen, aus denen man hier schöpfte, fördern nicht das erquickende "Wasser, still und klar". Man schenkt reichlich vom trüben Oberflächenwasser des "mainstreamigen" Funtionärsdeutsch ein, einem verschleiernden Worthülsenkauderwelsch, das dieses Schreiben ebenso geistlich erhebend macht wie ein Grußwort von Bezirkssekretären an die ewig fort siegenden Mitglieder der Nationalen Einheitsfront im ZK.
Vordergründig ist es eine Ergebenheitsadresse der kirchlichen Verwaltungselite an eine zählerische Mehrheit der DBK und die Kräfte des Fortschrittes, vertreten durch die Mitglieder der nationalen-antiklerikalen Einheitsfront, ZdK. Doch dieser Brief hat es in sich!
Mir fiel ein Satz auf, in dem es um die Anfragen an die "Rechgläubigkeit" ging, die man sich doch in Zukunft gerne verbitten wollte. Zitat: "Wir bitten darum, auf gegenseitige Unterstellungen oder gar den Vorwurf mangelnder "Rechtgläubigkeit" zu verzichten."

Bei der letzten Rechtschreibreform hatte man ja versucht, sich ein wenig zu "internationalisieren", u. a. durch weitestgehende Abschaffung der Zusammenschreibungen. Das hat zu einiger Verwirrung geführt und am Ende hat man dem "gesunden Sprachempfinden" nachgeben müssen. Denn es ist ja bekanntlich ein Unterschied ob es " weiter geht" (eine Sache nach einer Panne dennoch funktioniert) oder ob es weitergeht (mit der Handlung).
So wie die Sprache im Allgemeinen der Unterscheidung und somit der Entscheidung (discrimen) dient (Hasi oder Nicht-Hasi), so dient die Unterscheidung von "orthodox" und "nichtorthodox" (heterodox bis häretisch) der Frage nach richtig oder falsch. Lasse ich diese Frage als Möglichkeit nicht mehr zu, ist eine Unterscheidung quasi verboten, die Grundfrage nach Trennung und Ordnung unzulässig. Wir fallen damit in die Phase des unbestimmbaren "Dada!" zurück und ich frage mich, ob derjenige, der das fordert vielleicht "Gaga!" ist.
Wohl kaum!
Denn mit der Wegnahme des ordnenden und einordnenden Denkens fällt nicht nur einfach ein Zuordnungsmöglichkeit an sich weg. Es ist damit gleichzeitig die Möglichkeit der "disciplina" verworfen, die geordnete Lebensweise, die Übung, letztlich ist damit die Verfassung der Kirche abgeschafft. Disciplina von "discipio" ("nacheinander geistig aufnehmen") die geistige Leistung eines discipulus, eines Schülers/Jüngers, der in die Nachfolge tritt.
Wer sich also von der Frage der "Rechtgläubigkeit" befreien will, schafft sich nicht nur eine unbequeme persönliche Anfrage oder einen Kampfbegriff vom Hals oder spielt sich als Sprachpolizei auf. Man rührt an die Lehre der Kirche, die gesamte überkommene kirchliche Lebensweise, die Frage des Rechtes im Speziellen und die Nachfolge im Allgemeinen.
Es ist nicht die eine freundliche Bitte für einen "angstfreien Dialog auf Augenhöhe", dem hier der Weg gebahnt werden soll.!
Es ist nicht (nur) eine empfindliche Reaktion auf die immer gleichen (berechtigten) Anfragen aus sog. "traditionellen Kreisen".
Es ist ein Angriff auf die Mündigkeit der Gläubigen.
Es ist ein Angriff auf das fundamentale Recht der Gläubigen, von den Autoritäten der Kirche Rechenschaft und ein klares Bekenntnis zum katholischen Glauben fordern zu dürfen!

Was nach Lockerung, "laisser-faire" klingen soll, ist letztlich eher Ausdruck einer (längst geschehenen) Machtergreifung. "Störet meine Kreise nicht! Wir sind die Experten!" Hier sprechen Diener, die sich zu Gutsherren aufgeschwungen haben in entsprechender Art!
Das Ganze geschickt kaschiert und als "Ach komm, lass doch den Quatsch!" freundlich verkauft.
Das ist so, als wenn Ihr Buchhalter sagt: "Chef, wir wollen doch alle, daß der Laden gut dasteht. Also fragen sich mich bitte demnächst nicht mehr danach, ob ich auch alles richtig gerechnet habe."
Aber:
Diese Haltung ist (Achtung!) durchaus recht _ gläubig und daher bin ich als Freund der Zusammenschreibungen geneigt, dieses "rechtgläubig" in recht_gläubig" aufzuteilen.
Denn man glaubt recht viel in den deutschen Ordinariaten:
- an sich
- an den Fortschritt
- an die Segnungen der Moderne
- an die Notwendigkeit der Modernisierung
- an die Möglichkeit, den "menschengemachten Klimawandel" aufhalten zu können
- an den Sieg der Synodalität
- an die Überholtheit der Volkskirche
- an die schönen Parolen in den hausgemachten Hochglanzbroschüren für eine Zukunft

Man glaubt, dem folgen zu müssen. Denn man glaubt nicht einfach an das Gute, nein man will das Bessere schaffen.
Die glauben das wirklich und die meinen das bitter ernst!

Wie schrieb schon G. K. Chesterton, der Apostel des Gesunden Menschenverstandes:
"Ein Mensch, der seinen Glauben verloren hat, glaubt nicht einfach an nichts, sondern an alles mögliche. Und der Propheten sind viele!"

Ein Atheist ist - genau betrachtet - ein sehr strenger Dogmatiker.

So kann ein vom Glauben Abgefallener ein durchaus recht _ gläubiger Mensch sein. Nur Rechenschaft wird er kaum darüber abgeben können, weil er alles mögliche irgendwie auch wieder nicht richtig glaubt, weil er das Zentrum aus den Augen verloren hat ...

Ein Bischof, Prälat, GV muß sich als Hirte seiner Herde die Frage stellen lassen, ob er im Sinne des Herrn und seiner Kirche handelt oder nicht. Denn wenn die Frage gestellt wird, gibt es offensichtlich einen Grund dafür und die Angelegenheiten müssen gesichtet und geordnet werden. Er muß auch noch dem dümmsten Schaf und dem blödesten Hammel seiner Herde dieses vertrauensbildende Credo anbieten können.

Die Soutane macht nicht den Priester, sondern die Berufung und die Annahme dieses Gottesgeschenkes für den Dienst vor Gott und das Seelenheil der Christgläubigen.
Die Soutane macht auch nicht den "Klerikalismus", der sich angeblich an einer Vorliebe für Riten und Gewänder und erst recht nicht in einer ständigen Mahnung zur Einhaltung der Gebote erkennen läßt. Klerikalismus ist Machtstreben, Herrschaftsdrang und ein überhebliches, selbstherrliches Kastendenken, das die Heilsbotschaft als Vehikel für eigene Ziele nutzen will.
Und die lassen sich mit "Businessoutfit" oder "Casual-look" besser verbergen als unter einer Cappa magna!



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