Mittwoch, 7. August 2019

Angedacht (an S. Joannis Mariæ Vianney)

Heilig- und Seligsprechungen sind so eine Sache für sich. Die Verfahren sind kompliziert, mitunter recht langwierig, manchmal bleibt der Akt auch Jahrhunderte liegen. Zur Ehre der Altäre erhoben zu werden, ist eine ernste Angelegenheit. Die Kriterien sind klar, die Frage ganz einfach: Haben wir es bei XY mit einer Person zu tun, von der wir mit Gewißheit annehmen können, daß sie bei Gott vollendet ist, wir sie als Fürsprecher anrufen dürfen und von der wir nicht annehmen müssen, daß sie unserer Fürbitte bedürfte, da sie im Purgatorium oder sonstwo schmort und der Erlösung harrt.
Die geforderten Wunder sind, wenn man so will, eine Art "Praxistest" und keine überflüssige katholische Folklore.
"Quid sum miser tunc dicturus?
Quem patronum rogaturus
cum vix iustus sit securus?
"
Das wäre schließlich ein böses Erwachen, wenn man dann beim Gericht feststellen muß, der steht selbst an ...
Die Folgen eines solchen Verfahrens sind also gewichtig. Es gab auch immer mal einen "Santo subito", per Akklamation aus dem Volke, aber gern macht man das nicht. Entschieden wird nach Abwägung von pro und contra unter Hinzuziehung modernster Techniken (besonders bei der heiklen Wunderfrage) und nach Aktenlage.
Die schon angesprochene wundersame Gebetserhörung ist dabei auch ein Indiz dafür, ob die Person XY angerufen und verehrt wird. Hat XY eine Relevanz für die Gläubigen? XY kann noch so viel für die Christen, die Armen, die Bekehrung der Heiden, die Lehre oder die Kirche allgemein getan haben, ja sein Leben als Martyrer gelassen haben, wenn niemand ihn verehrt und um Eröffnung eines Verfahrens bittet, wird XY kaum aus der Wolke der Zeugen heraustreten und es bleibt beim 1. November (Allerheiligen), keine Altar, kein Patrozinium. 
Ein anderer Aspekt "öffentlicher Relevanz" ergibt sich, wenn die Kirche sich in einer Krise befindet und eines Korrektives bedarf. Denken wir an St. Johannes Paul (II.), der eine Fülle von Opfern der diversen Totalitarismen des 20. Jahrhunderts mit diesen Ehren bedacht hat. In einer Zeit, in der man in der Kirche offensichtlich vergaß, was z. B. der antichristliche Kommunismus für Opfer gefordert hatte und forderte, man mit sozialistischen Ideen liebäugelte und spielte.
Als einige Jahre später Benedikt XVI. den Heiligen Jean Marie Vianney als Vorbild für das Priesterjahr wählte, ein Priester, der aus Sorge um das Heil der Seelen beinahe im Beichtstuhl verhungerte, (und fälschlich des Mißbrauchs bezichtigt worden war), wurde die Initiative des Papstes klar boykottiert. Das Signal war zu deutlich. Die Relevanz dieses Heiligen besteht gerade in seiner mangelnden Opportunität, in seiner Opposition zum Zeitgeist.

Der überaus fragwürdige Zustand der Kirche läßt in mir manchen Zweifel aufkeimen. Wenn wir einmal die Verfahren im momentanen Pontifikat betrachten, so sind einige Kandidaten nicht gerade im traditionell langsam-gesitteten Prozessionsschritt die Stufen zum Altar erhoben worden, sondern eher im Laufschritt einer Sanitätseinheit hochgetragen.

Betrachten wir einmal die Causa Paul VI.
Wo läßt sich bei ihm eine besondere Heiligkeit feststellen, die sich zum Beispiel von Pius XI. oder Pius XII. als besonders abhebt?
Wo sind seine besonderen Verdienste?
Wo sind die signifikanten Gruppen der Verehrung?
Wundersame Gebetserhörungen? Nice to have ...

Er hat sich Humanae vitae schwerst abgerungen.
Er hat dem berüchtigten Annibale Bugnini frei Hand bei der "Neugestaltung" der Liturgie und des Kirchenjahres gelassen und hat dann eines morgens in der Sakristei "dat arme Dier gekriecht", als er merkte, was er da promulgiert hatte. Dann läßt er sich (Deo Gratias!) zu einem Induld breitschlagen, weil Agatha Christie die Petition der Künstler mitunterzeichnet hat.
Paul der VI. steht für Brüche, Abbrüche, vielleicht getrieben von seiner inneren Zerissenheit.
... und damit ist er ein würdiger Vertreter des in der Kirche herrschenden Zeitgeistes.
Anders gewendet:
Reihen wir ihn also ein, in die Reihe der Großen unserer Kirche und stellen wir ihn für einen Moment neben St. Benedikt von Nursia.
Frage: Würde dieser heute noch heilig gesprochen oder würde er eher wegen seiner Regel "Dem Gottesdienste ist nichts vorzuziehen!" nicht abgestraft wie andere junge kontemplative Orden, die nach Meinung Franz I. zu viel beten und sich zu sehr von der Welt abschließen?

Da kommt Juliane von Lüttich vorbei. Gut, daß ihr Verfahren 1869 beendet wurde. Sog. "Tabernakelfrömmigkeit" ist heute nicht gerade ein Sternchen auf der Fleißkarte. Und dann noch das Fronleichnamsfest, das den interkonfessionellen Dialog so belastet ...
Und Bernhard von Clairvaux ... der Erfolg des Ordens mach ihn auch zu einer suspekten Person und dann die Kreuzfahrerpredigt ... Störung des interreligiösen Dialogs ...
St. Stephanus, Erzmartyrer, belastet das Verhältnis zum Judentum ...

Und damit bin ich bei der Causa Gilbert Keith Chesterton angelangt!
Hier hat der zuständige Diözesanbischof die Einstellung des Verfahrens verkündet und hat dabei mit beiden Füßen auf die Bremse getreten:
Fuß 1:
Es gäbe in seiner Diözese keine signifikante Verehrung.
("Dafür gibt es auf dem halben Globus Gesellschaften, die sein Erbe pflegen."
"Mag sein, aber nicht bei mir in der Diözese! Schade.")

Fuß 2: Vorwurf des Antisemitismus
Gilbert Keith Chesterton hat sich in seinem analytischen Denken und in seiner Kritik niemals von Autoritäten oder postulierten Tabus bremsen lassen (besonders wenn sie rein aus historischen Gründen noch gar nicht bestanden haben). Fakten waren Fakten. Heilige Kühe kannte er nicht. Er forschte, bis er zu den Ursachen durchdrang. So hat er versucht zu verstehen, woher der irrationale und unverständliche Haß auf Juden seine Ursache hatte. Denn nur wer die Ursachen kennt, kann zu einer wahrhaftigen Lösung kommen. Seine Feder war spitz und benannte ohne Schnörkel wunde Punkte. Ja, er hat unbequeme Fragen auch an jüdische Vertreter der Hochfinanz gestellt, aber nicht wegen ihrer Religion, sondern wegen der (biblischen) Fragwürdigkeit des Reichtums allgemein und deren Einflußnahme auf die Politik, die nicht zum Vorteil des Landes und der Bürger, sondern der Konzerne und Großbanken war.
Humor und Ironie waren seine Waffen im Kampf um die Wahrheit.
Wenn ihm im Brief von Bischof Doyle wieder einmal der Vorwurf des Antisemitismus gemacht   wird, so ist das nichts anderes als die Wiederholung der Vorwürfe, die ihm vor 100 Jahren von Leuten gemacht wurden, die sich von ihm auf den Schlips getreten fühlten und  ihn durch geschickte Kompilation von (aus den Zusammenhängen gerissenen) Zitaten zu diskreditieren suchten. Damals hat das offensichtlich nicht verfangen. Sonst hätten ihn sicherlich nicht Zionisten als Alliierten ausgesucht, um einen prominenten Fürsprecher für ihr Ziel, einen neuen Staat Israel erstehen zu lassen, zu gewinnen. Aus einer Lüge wird keine Wahrheit, nur weil man sie wiederholt, aber sie wird irgendwann geglaubt.
Und hier ergibt sich aus einer Beobachtung mein Zweifel an der Lauterkeit des Verfahrens.
Der Wunsch zur Eöffnung des Verfahrens wurde vom Präsidenten der American Chesterton Society, Dale Ahlquist geäußert und befördert. Er hatte die Kontakte nach England auch zu Bischof Doyle. 2013 wurde das Verfahren eröffnet.
2010 also drei Jahre zuvor hatte Dale Ahlquist eine "Lesson" zum dem von Bischof Doyle als belastend angeführten Buch veröffentlicht, die die für Chesterton entlastende Faktenlage zu diesem alten Vorwurf zusammenfaßt. Es empfiehlt sich, den kleinen Vortrag in voller Länge zu lesen (Link unten). Es wäre für den Bischof ein Leichtes gewesen, sich dieses entlastende Material zu beschaffen.
Man spürt die Absicht und ist verstimmt!

Gilbert Keith Chesterton wäre als Seliger (und Heiliger) in gefährlicher Gegner der kirchlichen Nomenklatura, besonders, wenn sich seine Schriften im Zuge seiner Seligsprechung in einer weiteren Leserschaft verbreiteten. Mit dem Vorwurf des Antisemitismus hat man ihn noch in den Startblöcken disqualifiziert, will man ihn schlichtweg zum "Unberührbaren" machen.
Der Apostel des gesunden Menschenverstandes steht für die Wiederentdeckung der orthodoxen Lehre und die Entlarvung der Häresie durch unerschütterliches Fragen, Denken und Forschen. Er ist ein Verteidiger der Tradition wider allen Zeitgeist, weil in ihr alle diejenigen zu Wort kommen, die sonst in der Kirche keine Stimme mehr finden: "Tradition ist die Demokratie der Toten!"
Hier dürfte der Hase im Pfeffer liegen. Chesterton wird von Menschen gelesen, zitiert und verehrt, die sich gegen den Zeitgeist stellen. Sein klares Denken, sein schlichter, fröhlicher und lebenszugewandter Glaube enttarnt bis heute die endlosen und verwirrenden Wortgirlanden der Reformgläubigen und ihr kryptoprotestantisches, humorbefreites Spießertum.

"Wenn ein Mensch seinen Glauben verliert, so glaubt er nicht einfach an nichts, sondern an alles mögliche. Und die Propheten sind viele!"



... und sie gehen im Haus der heiligen Martha ein und aus!

Link zur Tagespost I
Link zur Tagespost II
Link zur Lesson 35 von Dale Ahlquist vom 09.12.2010 über The New Jerusalem (1920)


2 Kommentare:

dilettantus in interrete hat gesagt…

Wenn der Spiegel mal nicht Post heißt!

Trotz 1 Kor 13/12,

Laurentius Rhenanius hat gesagt…

Danke!